Die Corona-Pandemie stellte viele Unternehmen vor neue Herausforderungen. Veränderungen wurden angestoßen, bestehende Transformationsprozesse beschleunigt.
In unserer Mixed-Media-Interviewreihe “Pioniere des Wandels” führen wir in unregelmäßigen Abständen Gespräche mit Vordenker:innen aus der Wirtschaft, die sich besonders für den Wandel innerhalb ihres Unternehmens einsetzen.
Gemeinsam schauen wir auf die Rolle & Herausforderungen von Transformatoren durch Covid 19.
Wie entwickelt sich die Rolle in Unternehmen weiter? Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen jetzt und welche Maßnahmen braucht es für eine erfolgreiche Transformation?
Heute im Interview: Dr. Gunther Wobser, CEO und geschäftsführender Gesellschafter bei LAUDA.
Culcha: Was waren Deine bisherigen Schwerpunkte in der Transformation von LAUDA?
Dr. Gunther Wobser: Zunächst habe ich Strukturen selbst aufgebaut, dann viel ausprobiert und aktuell die Prozesse mit einem Team neu aufgesetzt. Das Ganze wird flankiert von einer offensiven, transparenten Unternehmensstrategie, die Orientierung gibt und zusätzlich zu Vision, Mission und den daraus abgeleiteten strategischen Zielen das notwendige, bisher fehlende Bindeglied begreifbar macht. Nicht zuletzt wird es in die passende Organisation gegossen, wobei die Gretchenfrage, ob nämlich Innovation in der Kernorganisation oder einer eigenen Struktur verortet wird, von jedem Unternehmen selbst ernsthaft geprüft und beantwortet werden muss.
Culcha: Es ist ein bekannter Scherz, dass Covid eigentlich die Transformation in den Unternehmen vollbracht hätte. Wie siehst Du das?
Dr. Gunther Wobser: Einspruch, im Zusammenhang mit Corona ist mir wahrlich nicht zum Scherzen zumute. Bei LAUDA waren alle Aktivitäten bereits vorher schon auf gutem Kurs, Maßnahmen, wie z.B. die Umstellung auf Microsoft Teams und der Einsatz von Webinaren für den Vertrieb haben durch die Herausforderungen der Pandemie zugegebenermaßen ordentlich an Fahrt aufgenommen.
Culcha: Was sind die nächsten Horizonte für einen transformatorischen CEO? Hat sich Deine Agenda geändert?
Dr. Gunther Wobser: Transformation ist kein Projekt, sondern muss zum Kernprozess von Unternehmen, Organisationen und nicht zuletzt aller Menschen werden. Ich bin selbst vom Maschinenraum auf die Kommandobrücke hochgestiegen und muss klarer als bisher die strategische Orientierung, also Ziel und Kurs, gemeinsam mit meiner Crew festlegen, um dann Abweichungen zu erkennen und gegenzusteuern. Ganz wichtig: Alle Stimmen an Bord müssen gehört und einbezogen werden, auch wenn die Schiffe größer werden und sich zu einer echten Armada formieren.
Culcha: Was sind dabei die größten Herausforderungen?
Dr. Gunther Wobser: Bisher wurden die Transformationsprozesse stark von einer kleinen Gruppe gesteuert und umgesetzt. Durch unsere neue Unternehmensstrategie erhoffe ich mir mehr Transparenz und Orientierung, so dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Verantwortungsbereich eigenständig Handlungsbedarf erkennen und die notwendigen Entscheidungen selbst treffen. Idealerweise formt sich eine Innovationskultur, die wie eine unsichtbare Hand in die Strategie einzahlende Aktivitäten lenkt und befeuert. In diesem Zusammenhang ist die Strategie nicht in Stein gemeißelt, sondern muss regelmäßig geprüft und neujustiert werden, ähnlich wie das Geschäftsmodell eines Start-ups.
Culcha: Welche Initiativen oder Maßnahmen stehen zur Bewältigung dieser Herausforderung im Vordergrund – und warum?
Dr. Gunther Wobser: Die Herausforderungen betreffen nicht nur den Mittelstand, sondern gehen über die gesamte Industrie bis hin zu Organisationen aller Art. Deshalb finde ich Zusammenschlüsse und gemeinsame Aktivitäten so wichtig. Doch wer macht den Anfang? Wir bei LAUDA sind z.B. Mitglied im Berliner Innovationsnetzwerk Maschinenraum, der Stiftung Familienunternehmen und sind mit dem Netzwerk UnternehmerTUM der TU München im Dialog. Regional möchte ich mit der Brainstation am Bahnhof meiner Heimatstadt Lauda-Königshofen ein regionales Innovationszentrum errichten, das die eher ländlich geprägten Heimatorte der Weltmarktführer in einem nationalen und globalen Innovationsnetzwerk verortet.
Culcha: Welche Tools/welche Ansätze verfolgst Du dabei?
Dr. Gunther Wobser: Mich fasziniert seit langem das Konzept der Ambidextrie, der Beidhändigkeit. Es verbildlicht eine Denkhaltung, die jedoch nicht direkt umsetzbar ist. Hier setzt gerade meine Neugier an. Durch passende Werkzeuge kann Ambidextrie sinnvoll im Unternehmen eingesetzt werden. Hier arbeite ich sehr eng mit meinem Team zusammen, trage das gewonnene Wissen aber auch über die Unternehmensgrenzen und stelle es in Vorträgen, Artikeln bis hin zu Büchern permanent auf den Prüfstand.
Culcha: Was glaubst Du, wie teuer es für Unternehmen werden kann, wenn die Maßnahmen für die Transformation nicht greifen?
Dr. Gunther Wobser: Das habe ich schon am eigenen Leib gespürt. Wir haben voller Euphorie eine Produktidee bis hin zur fast fertigen Entwicklung weitergetrieben, um dann festzustellen, dass der Markt nicht groß genug ist und wir selbst das Produkt zu den notwendigen Kosten gar nicht herstellen können. Obwohl jeder weiß, dass Scheitern zum Geschäft dazugehört, tut das weh und ist auch in der Unternehmensbilanz nicht mehr zu verstecken. Ich glaube an plakative Aktionen und lebendige Beispiele, welche selbst eine lange gebildete Unternehmenskultur verändern können. Heute weiß ich, dass dieses Umdenken auch von Weiterbildungsmaßnahmen systematisch unterstützt werden muss.
Culcha: Wie misst Du den Erfolg von Transformation?
Dr. Gunther Wobser: Vor allem geht es um eine gesunde Balance der Investitionen für morgen mit den Gewinnen von heute in Verbindung mit der richtigen Zahlungsfähigkeit. Doch damit nicht genug. Wir stellen regelmäßig strategische Ziele auf, die wir in Verbindung mit der Methode OKR dynamisch auf Organisationseinheiten bis hin zu einzelnen Personen runterbrechen. Darüber hinaus führen wir regelmäßig Digitalisierungschecks durch und wollen mit digitalen Produkten eigene Umsätze mit entsprechenden Deckungsbeiträgen erzielen, also nicht nur Gratis-Giveaway zum physischen Produkt.
Culcha: Wenn Du einen Wunsch frei hättest, um für Transformatoren das ideale Tool zu schaffen, was würde dieses Tool können?
Dr. Gunther Wobser: Man sollte auch die Erfolge feiern, denn einen Herzenswunsch habe ich mir schon erfüllt: Das komplett softwaregestützte Ideenmanagement namens Tracktion, welches alle Ideen von ganz klein bis ganz groß im Unternehmen aufgreift, einordnet und auf den dafür gebildeten Tracks, den Innovationsgleisen, umsetzt. Weitere Wünsche wären Werkzeuge für die strategisch ausgerichtete Ideenentwicklung, zum Erkennen und Abwehren von Disruptionen und zur automatisierten Umsetzung der Lean Startup-Methode zum systematischen Testen vielversprechender Ideen und Geschäftskonzepte. Doch ich fürchte, da müssen wir selbst mit ran.
Vielen Dank, lieber Gunther Wobser, für diese eindrucksvollen Einblicke! Dieses Interview ist die fünfte Ausgabe unserer Interviewreihe “Pioniere des Wandels”. Lesen und hören Sie weitere Interviews, u.a. mit Alexandra Heinrichs, Vice President HR DACH & Middle Europe und Marko Hein, Group Director Digital, Ravensburger AG.