Rein ins Homeoffice, raus dem Homeoffice – Resilienz gehört zwar nicht erst seit der Corona-Pandemie zu den wichtigsten Führungskompetenzen, die Krise hat dem Thema aber ohne Zweifel zu mehr Aufmerksamkeit verholfen.
Resilienz ist ein klarer Erfolgsfaktor für Unternehmen und Mitarbeiter:innen. Wie aber lässt sie sich gezielt fördern und im Alltag nutzen? Fakt ist: Resilienz von Unternehmen beginnt bei den Führungskräften. Schließlich sind sie der entscheidende Einflussfaktor für Arbeitsatmosphäre und Kultur, das Scharnier zwischen Mitarbeiter:innen und Geschäftsführung. Die Frage ist also: Wie wird man als Führungskraft resilienter?
Kenntnisse aus der Neurowissenschaft helfen dabei, resilienter zu werden
Glücklicherweise handelt es sich bei Resilienz nicht um ein Talent oder eine angeborene Qualifikation. Vielmehr lässt sie sich trainieren und Schritt für Schritt als festen Bestandteil in den persönlichen Arbeitsalltag – und somit auch ins Unternehmen – einbauen.
Dabei helfen uns neurowissenschaftliche Erkenntnisse: Schon lange ist bewiesen, dass das menschliche Gehirn höchst individuell und unabhängig vom Alter veränderbar ist. Von den Neuronen und Synapsen unseres Gehirns bleiben allerdings nur diejenigen bestehen, die auch gebraucht werden. Tätigkeiten und Gedankengänge, die oft vorkommen, führen allerding zu besonders starken Synapsen. Der Aufbau neuer neuronaler Strukturen kostet entsprechend mehr Energie als die Nutzung bereits etablierter Netzwerke, was jede Verhaltensänderung auch neurobiologisch schwerer macht. Daher ist es so mühsam, Gewohnheiten zu ändern – das gilt auch für neue Prozesse im Beruf. Aber es besteht Hoffnung: Das Gehirn kann sich auch im Alter von 60 Jahren noch verändern, und zwar sogar genauso gut wie mit 10 Jahren! Das ist die sogenannte Neuroplastizität. Es bedarf “lediglich” konsequenten Trainings.
Experience only relates to the past. Oder: Akzeptanz einer sich ständig verändernden Welt entwickeln
Wer sich und sein Unternehmen resilient machen will, muss also – vereinfacht gesagt – sein Hirn trainieren. Dabei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle, allen voran Anerkennung und Akzeptanz der tatsächlich vorliegenden Umfeldbedingungen. Aus neurowissenschaftlicher Sicht ist das nur logisch, denn das Gehirn strebt immer nach Stimmigkeit oder Kohärenz. Noch genauer: nach Schmerzvermeidung und Wohlempfinden. Beide Zustände sind jedoch nur dann gegeben, wenn die bewusst und unbewusst ablaufenden Prozesse im Gehirn stimmig sind. Ist das nicht der Fall, entsteht schmerzhafte Inkohärenz.
Ein wesentlicher Hebel, diese Stimmigkeit zu erreichen, ist unter anderem, anzuerkennen, dass die Welt nicht mehr so ist, wie sie einmal war, sondern mindestens „VUKA“. Also volatil, ungewiss, komplex und ambig, also mehrdeutig. Denn ansonsten reibt sich die eigene Vorstellung von der Welt, wie sie war oder sein sollte, an den Eindrücken von außen, die dem entgegenstehen. Abhilfe bietet hier nur, sich einzugestehen, dass die Lehren der Vergangenheit, die Erfahrung, nur noch bedingt als Erfolgsrezept für die Zukunft taugen. Oder, wie es so schön heißt: “Experience only relates to the past”.
Durch Tricks geistige und emotionale Flexibilität festigen
An die Stelle blinden Verlassens auf die Erfahrung muss also geistige und emotionale Flexibilität treten, um Stress im Gehirn durch Inkohärenz zu vermeiden. Ein Trick aus der Neurowissenschaft, um sich diese geistige und emotionale Flexibilität selbst in angespannten Situationen zu erhalten: Triggern aktiv entgegenwirken.
Wir erleben in angespannten Situationen negative emotionale Reaktionen – so weit, so normal. Allerdings sollten diese nicht einfach unterdrückt werden. Denn das verbraucht viel geistige Energie und vermindert gerade nicht die erhöhte Aktivität der Amygdala, also den Alarmzustand im Hirn, der Stress bedeutet. Stattdessen hilft die Technik „Labeling“. Seine Gefühle zu labeln, also zu benennen und sich bewusst zu werden, was man gerade spürt. Als Tipp: In Terminen geht das sehr gut durch eine kurze Notiz am Rand der Unterlagen, ein Wort genügt schon. Aber man kann auch ausschmücken. Zum Beispiel: „Zorn. Weil der Müller sich wieder nur profiliert.“ Diese Technik aktiviert den präfrontalen Kortex, also das rationale Denken, und nimmt der Amygdala den Wind aus den Segeln. Dann steht für die Bewältigung des Problems wieder das gesamte Hirn zur Verfügung – und man ist geistig und emotional wieder flexibel.
Aufmerksamkeit auf Positives lenken
In diesem Zusammenhang: Vor allem im Kontext von Krisen macht es einen erheblichen Unterschied, was wir wählen wahrzunehmen. Jede Sekunde strömen 12 Millionen Sinneseindrücke auf uns ein, bewusst wahrgenommen werden aber nur ungefähr sieben. Da macht es schon einen erheblichen Unterschied, worauf wir unsere Aufmerksamkeit legen. Dazu kommt: Evolutionsbedingt werden unterbewusst negative Informationen intensiver wahrgenommen – das ist der so genannte „negativity bias“. Nur logisch, denn diese Informationen haben früher oft über Leben und Tod entschieden. Viele negative Informationen der heutigen Zeit – zum Beispiel der kleinere Bildschirm im Homeoffice – tun das aber nicht. Und trotzdem erhalten diese negativen Eindrücke in unserem Hirn mehr Aufmerksamkeit als die positiven, bestimmen damit die Wahrnehmung und erzeugen Stress. Dem kann aber entgegengewirkt werden. In der Kommunikation mit Kolleg:innen – oder auch mit sich selbst – kann man den Fokus bewusst auf Gelungenes, auf Positives legen: große oder kleine Erfolge, nette Gesten, Momente der Verbundenheit und so weiter.
Im Führungskontext bedeutet das für die Führungskraft selbst, aber auch für das Team als Ganzes den Fokus eher auf den schon erreichten Fortschritt als auf die noch zu überbrückende Distanz zu legen. Dadurch kann die Haltung des ganzen Teams beeinflussen, dass Herausforderungen als gestaltbar angesehen und auch beherzt angegangen werden. Ein wesentliches Kennzeichen von resilienten Teams!
Fazit
Die Neurowissenschaft versorgt uns mit allerlei hilfreichem Hintergrundwissen und hilft uns dabei zu verstehen, wie das Gehirn im Krisenmodus funktioniert. Durch Integration dieses Wissens in die Führungspraxis, werden zunächst Führungskräfte resilienter. Das wirkt sich automatisch aber auch auf das Unternehmen aus, wodurch Erfolg auch in turbulenten Zeiten wahrscheinlicher wird. So lassen sich nicht nur Krisen effektiv bewältigen, sondern aus schwierigen Situationen Chancen und Möglichkeiten ableiten.